Das grüne Band

das grüne Band....

Das grüne Band

Handwerker überreichten den Dompredigern Waltraut Zachhuber und Giselher Quast im Oktober 1989 ein Symbol für den friedlichen Protest. Möglicherweise wusste die Stasi schon zuvor vom grünen Band.

Autorinnen: eg, ras, fs

Fünf Tage nach dem Abgang von Erich Honecker und 17 Tage vor dem Fall der Mauer in Berlin tritt ein Handwerker auf die Bühne des friedlichen Protestes in Magdeburg. Nach Abschluss des Montagsgebets am Abend des 23. Oktobers 1989 schreitet eine Gruppe Handwerker, angeführt von Bernd Ebert, zum Altarraum im Magdeburger Dom und überreicht den Dompredigern Waltraut Zachhuber und Giselher Quast jeweils ein grünes Band. „Ich weiß nicht, wo Ebert die Idee herhatte. Die Handwerker hatten schon während der Veranstaltung ganz viele Bänder im Dom verteilt und zwei symbolisch nach vorne gebracht. Eines gab die Gruppe Frau Zachhuber und eines mir“, erzählt Giselher Quast.“ Sie sagten, dieses Band symbolisiert für sie Hoffnung. ,40 Jahre hatten wir rot, jetzt wollen wie 40 Jahre lang grün die Hoffnung haben.‘
Bernd Ebert hatte sich schon mehrfach
um Akustik und Licht für die Montagsgebete im Magdeburger Dom gekümmert. Der Handwerker aus der

Medizinischen Akademie Magdeburg ist wie alle, die in diesen Tagen des Herbstes 1989 auf die Straßen gehen, aufgewühlt und will etwas verändern.
Die Idee mit dem Band sei ihm bei einer Autofahrt gekommen, nachdem er gehört hatte, dass Honecker zurückgetreten sei und Egon Krenz das Amt des Parteichefs übernehme. So erzählt er die Geschichte um das grüne Band in einem Interview im Jahr 2004 mit Ute Gramm, die seinerzeit die Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg leitete. Das grüne Band sollte ein „fantasievolles Zeichen für eine gesellschaftliche Erneuerung in unserer Stadt“ sein. Er will denen Mut machen, die an den dritten Weg glaubten. Nicht an das Rot der „Genossen“, die 40 Jahre in der DDR geherrscht hatten, nicht an das Weiß der Ausreisewilligen.
Zachhuber und Quast erhalten das grüne Band für ihr mutiges und Mut machendes Verhalten bei der Montagsdemonstration am 9.Oktober – Bernd Ebert überreicht Zachhuber noch einen Blumenstrauß und Quast eine Flasche Wein, so schreibt es die Beratergruppe Dom bereits 1991 in ihrer Dokumentation „Anstiftung zur Gewaltlosigkeit. Herbst ‚89 iin Magdeburg“: „Er hatte seine Angst verloren.“


Im Staat wohnen, leben und verändern – der Sinn des grünen Bandes

Die Angst war weg – und das grüne Band war da. Handwerker Ebert berichtet Ute Gramm im Interview, dass er mit Bekannten für „Nachschub“ gesorgt hatte. „Viele von meinen Bekannten waren in der Stadt und hatten in Kurzwarengeschäften, im damaligen Centrum Warenhaus (heute: Karstadt, Anm. d. A.) und in Blumengeschäften grüne Bänder gekauft, sodass wir am 30.10.1989 nochmal davon mehrere Tausend Stück im Dom verteilen konnten. Und dann war eine Geschichte entstanden in Magdeburg, die sich wahrscheinlich auch über diese Stadtgrenze hinaus weiter ausbreitete und mit ganz großer Freude und Stolz getragen wurde. Mit dem Zeichen ,wir wollen hier im Staat wohnen, leben und verändern´. Das war der Sinn des grünen Bandes.“

Bernd Ebert erzählt diese Version der Geschichte, die Domprediger Quast und Zachhuber im Kern in der Dokumentation bestätigen. In den Unterlagen der DDR-Staatssicherheit findet das grüne Band ebenfalls Erwähnung. Im „Bericht zum Gebet zur Erneuerung unserer Gesellschaft´ im Dom von 23.10.1989“ schreibt der zuständige Hauptmann seine Notizen nach einer
mündlichen Information einer Kontrollperson („KP“): 10.000 „Personen“ hätten sich abends im Dom befunden. Quast habe dazu aufgefordert, dem neuen SED-Generalsekretär und designierten

Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz „eine Chance zu geben“.
Ein Mann, eine Schülerin und eine Frau hätten Statements abgegeben. Und „zwei Handwerker einer PGH“ hätten Quast ein großes Blumengebinde übergeben, und zwar „als Dank dafür, dass er ihnen die Angst vor der offenen Meinungsäußerung genommen hat“. Die Handwerker hätten dann „grüne Bändchen für die Demonstration“ ausgeteilt. 15.000 Menschen seien bei der Demonstration gewesen.
In diesem Stasi-Bericht hat also Quast die Blumen bekommen, nicht Zachhuber. Ob die Unterlagen manipuliert sind, lässt sich nicht nachvollziehen. Sie entstammen der Akte BStU, MfS, BV MD, AKG, Nr.36.


Das grüne Band wurde zum Symbol der Gebliebenen.


Ebert berichtet in seinem Gespräch mit der Leiterin Ute Gramm, dass das grüne Band in Magdeburg fortan allgegenwärtig gewesen sei. Menschen hätten es an ihren Jacken getragen, es habe an Autos und Aktentaschen geflattert. Auch berichtet er von einem Gedicht eines Superintendenten aus Hildburghausen zu einem grünen Band, das dieser am 30. Oktober 1989 im Dom verlesen habe.

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--> Das grüne Band

In ihrem Beitrag in der Dokumentation der Domgruppe schreiben Zachhuber und Quast, dass das Superintendent Hanspeter Wulff-Woesten gewesen sei, sprechen allerdings davon, das Gedicht sei erst Wochen später nach Magdeburg gelangt. In dem Gedicht heißt es laut der Domgruppe-Dokumentation unter anderem: „Es flattert nun das grüne Band, bringe WENDE für mein Vaterland“ und „Wir bleiben hier, gibt es auch Schmerz, wir brauchen nur ein festes Herz!“ Das grüne Band wurde, im Gegensatz zum weißen Band der Ausreisewilligen, offenbar zum Symbol der Gebliebenen.

Woher der Einfall für das Band als Zeichen der Hoffnung kam, bleibt dennoch unklar. Der Liedermacher Gerhard Schöne hat in seinem Lied „Das Weiße Band“, das auf seinem Album „Lebenszeichen“ von 1990 veröffentlicht ist, die Massenflucht kritisiert und gesungen „Vielleicht knüpf‘ ich noch ein grünes Band. Wie find’st du das?“

Ein grünes Band hat bis heute überlebt
öglicherweise war das grüne Band schon bei der Stasi,

bevor es im Dom ankam. Nach einem Stasi-Aktenvermerk (BStU, MfS, BVMD, BdL, Nr. 3432, S. 2) eines Hauptmann aus der Abteilung „Büro der Leitung Referat 4“ vom 23. Oktober 1989 sei bereits

am Nachmittag um 14.50 Uhr ein Bürger im Magdeburger MfS-Büro erschienen, der einem Offizier „als Vertrauensbeweis“ einen Nelkenstrauß und ein 40 Zentimeter langes grünes Band überreichen wollte.
Der Name des Bürgers und seine Magdeburger Adresse sind in der Akte geschwärzt.

Die für den Abend geplante Demonstration und die Aktion mit dem grünen Band, so steht es in der Stasi-Akte, sei „gegen innere und äußere Gewalt und gegen jegliche äußere Einmischung westlicher Medien gerichtet“. Deshalb werde die Aktion „ordnungsgemäß“ beim Genossen Generalleutnant Schneider gemeldet. Der Aktenvermerk endet mit dem Satz: „Er rechnet weiterhin auf gute Zusammenarbeit mit den Staats- und Sicherheitsorganen und auf den Schutz der Landesgrenzen.“
Wer der Mann war und ob der Besuch stattgefunden hat – das lässt sich nur mit dieser Akte nicht rekonstruieren. Wem der Einfall für das Band zuzuschreiben ist, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären, aber zumindest ein grünes Band hat bis heute überlebt – es gehört Giselher Quast.

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